Monatsandacht für Mai 2025
Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Geschwister!
„Zu dir rufe ich, Herr; denn Feuer hat das Gras der Steppe gefressen, die Flammen haben
alle Bäume auf dem Feld verbrannt. Auch die Tiere auf dem Feld schreien lechzend zu dir;
denn die Bäche sind vertrocknet.“ (Joel 1,19–20)
Es ist eine eigenartige Gebetsgemeinschaft, die der Prophet Joel seinen Hörern hier vor Augen
malt. Angesichts einer langen Dürre seufzen und schreien Menschen und Tiere gemeinsam zu
Gott. Schon in den Versen davor hat der Prophet die Priester, die Ältesten und alle Bewohner des
Landes zu Klage und Fürbitte angesichts dieser Trockenheit aufgerufen. Gemeinsam mit ihren
Rindern und Schafen, die angesichts des fehlenden Futters seufzen, sollen auch die Menschen
fasten und sich dem Gott Israels zuwenden.
Und nun betet Joel mit lauten Klagerufen zum Herrn und nimmt sich dabei die wilden Tiere der
Steppe zum Vorbild, die angesichts ihrer vertrockneten Trinkstellen längst zu Gott schreien.
Während die Wildtiere wissen, an wen sie sich wenden müssen, muss der Prophet seine
Landsleute erst dazu auTordern, aufzuwachen, die Trauergewänder anzuziehen und den Herrn
anzurufen. Obwohl die Weinstöcke und Feigenbäume keine Früchte mehr tragen, das Gras und
die Bäume vom Feuer verbrannt sind, scheinen bisher nur die Tiere begriTen zu haben, was die
Stunde geschlagen hat.
Würden wir heute die Tierwelt fragen, wie es um unsere Erde steht, wir würden vermutlich
ähnliche Klagelaute zu hören bekommen, wie der Prophet Joel. Die vertrocknenden Bäche, die
anhaltenden Dürren, vom Feuer verbrannte Bäume, sie werden genau wie andere
Extremwetterereignisse auch in den gemäßigteren Breiten häufiger. Und nicht nur die Menschen
leiden darunter. Immer mehr Tierarten sterben aus, weil sie ihren ursprünglichen Lebensraum
verlieren. Und in endgültig ausgetrockneten Seen und Bächen werden keine Fische mehr
schwimmen. Und wo nichts mehr wächst, da verhungern Menschen und Tiere gemeinsam.
Joel ruft seine Mitbürger zu Buße und Gebet auf, weil er voraussieht, dass Gott dann eingreifen
wird. Wenn ihm die gesamte Schöpfungsgemeinschaft in den Ohren liegt, muss Gott sich
einfach erbarmen. Davon ist Joel so überzeugt, dass er kurz darauf auch wieder bessere Zeiten
verheißen kann. Und auch dabei sind wieder die Tiere die ersten, denen diese Heilszusagen
gelten:
„Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Felde; denn die Auen in der Steppe grünen, und die
Bäume bringen ihre Früchte, und die Feigenbäume und Weinstöcke tragen reichlich. Und ihr,
Kinder Zions, freut euch und seid fröhlich im Herrn, eurem Gott, der euch den Lehrer zur
Gerechtigkeit gibt und euch herabsendet Regen, Frühregen und Spätregen wie zuvor, dass die
Tennen voll Korn werden und die Keltern Überfluss an Wein und Öl haben.“ (Joel 2,22–24)
Vielleicht sollten auch wir auf das Klagen der Tierwelt hören, wenn wir das OTensichtliche nicht
verstehen wollen. Katastrophen, die uns zu Buße und Gebet rufen, gibt es auch in unserer Zeit
genug. Aber mit Blick auf Gottes Möglichkeiten ist es auch für uns noch nicht zu spät, im Gebet
auf sein Eingreifen und auf bessere Zeiten zu hoTen und unser Leben darauf auszurichten.
Prof. Dr. Ralf Dziewas
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