Monatswort Februar 2023 – März 2023
Die Jahreslosung 2023 macht Mut. „Du bist ein Gott, der mich sieht“ (1. Buch Mose, Kapitel 16, Vers 13) Gott der mich sieht, geht mit mir, ist bei mir, egal, was geschieht, er sieht mich, auch wenn viele andere mich nicht sehen. „Mit Gott“ – das ist doch eine gute Überschrift für die noch unbeschriebenen Seiten des neuen Jahres. All das, was es uns bringen mag, was uns Menschen angeht, berührt, betrifft, bewegt – gehen wir mit Gott. Fühlt man sich nicht manchmal ausgegrenzt? Dann ist da Gott, der uns sieht – das macht Mut. Als ich die Losung zum ersten Mal las, war ich neugierig auf die Geschichte, auf die sie sich bezieht, die ihr zugrunde liegt. Hagar, die laut dem 1. Buch Mose vom „sehenden Gott“ spricht, war wirklich eine Übersehene.
Bitter hatte sie erfahren müssen, was es bedeutet „benutzt“, ja in einem gewissen Sinne sogar „missbraucht“ zu werden. Hagar war die persönliche Sklavin von Sara, der Frau des biblischen Stammvaters Abraham. Sara und Abraham, ein durchaus wohlhabendes älteres Ehepaar mit einem wunden Punkt: Die beiden hatten keine Kinder. Dabei hatte doch Gott selbst, so erzählt es die biblische Geschichte, Abraham das große Versprechen gegeben, dass er nicht nur einmal Vater werden würde, sondern sogar der Stammvater eines ganzen Volkes werden sollte. Doch Sara kann ihm keine Kinder gebären und die beiden verlieren die Geduld. Sie entscheiden sich für eine Leihmutterschaft – Sara gestattet Abraham den Beischlaf mit der Sklavin Hagar. So kommt es dann auch, dass Hagar schwanger wird. In Hagar, die sich erst gekränkt und missbraucht, missbraucht als Mittel zum Zweck, fühlt, wächst mit der Schwangerschaft das Gefühl: „Ich bin doch nicht nur eine Sklavin, ich habe einen Wert, eine Bedeutung.“ Doch als Sara, ihre Herrin, das mitbekommt, holt sie Hagar schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie, die durch die unerfüllte Schwangerschaft selbst gekränkt und gedemütigt ist, behandelt die hochschwangere Hagar so herabwürdigend, dass dieser nur die Flucht in die Wüste bleibt. Eine Geschichte voller Verletzungen und Kränkungen. Hagars Leben in Scherben als alleinerziehende Mutter ohne Rechte, ohne Schutz. „Niemand sieht mich.“ Gott schickt Hagar einen Boten, der ihr ausrichtet, dass er sich um sie kümmern wird, dass sie sich nicht aufgeben und ihr Leben annehmen soll. Und er ermutigt sie, zurückzukehren zu Sara und Abraham. Hagar erkennt: Du bist ein Gott, der mich sieht. Hagars weiteres Leben ist in der Geschichte auch nicht auf Rosen gebettet, sie gebiert Ismael und wird, nachdem Sara dann doch selbst schwanger wird, mit ihrem Kind in die Wüste geschickt. Und wieder spricht Gott ihr zu, dass sie nicht vergessen und übersehen ist und gemeinsam mit Ismael eine lebenswerte Zukunft erhalten wird. „Du bist ein Gott, der mich sieht“. Dieser Satz lässt uns an Jesus denken. Er hört den blinden Mann auf der Straße, an dem alle anderen vorbeigehen. Er sieht den von allen verachteten Zolleinnehmer Zachäus, der sich auf einem Maulbeerbaum verkrochen hat und sich versteckt. Jesus sieht sie nicht nur, er heilt sie auf ganz unterschiedliche Weise. Während meines beruflichen Dienstes habe ich viele unterschiedliche Menschen kennengelernt und viele Lebensgeschichten gehört, so dass ich weiß: Kein Leben verläuft einfach nur glatt und gerade. Es gibt viele Menschen, die nicht gesehen werden – aus verschiedensten, oft nichtigsten Gründen – quasi unsichtbar durchs Leben gehen. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die dazu führen übersehen zu werden. Dabei ist es doch ein zutiefst inneres Bedürfnis, wenn schon nicht geliebt, dann doch wenigstens gemocht und beachtet zu werden. Bei Jesus ist es so – sein liebender Blick fällt nicht zuerst auf die, die sich ihrer Wertschätzung durch Menschen sicher sein können. Jesus liebt und sieht besonders diejenigen, die sich durch ihren trostlosen und manchmal frustrierenden Alltag schlagen. Seid euch sicher: Jesus sieht euch, er blickt euch an mit unendlicher Liebe. Du bist für ihn wertvoll, weil du, du bist. Gehen wir also mit der Jahreslosung in das Jahr 2023, mit all seinen ungewissen Wandlungen und Windungen, in der Gewissheit, dass wir mit Hagar auch in den Wüstenmomenten unseres Lebens sagen können: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“
Ihre/eure Doris Berlin
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