Kirche mit allen Sinnen erleben

Zugegeben, beim Geruchssinn ist uns Protestanten die katholische Kirche mit dem Weihrauch etwas voraus. Trotzdem gibt es auch bei uns Dinge, die mehr sind als nur etwas für Augen und Ohren. „Ganzheitlich“ heißt es heute oft, nicht nur, wenn es darum geht, das Leben mit allen Sinnen zu erleben. Geht Kirche auch ganzheitlich und worum geht es? Überlegen wir mal gemeinsam… was fällt Ihnen zur Kirche und zum Gemeindeleben ein und welche Sinne werden angesprochen? Zuerst Gottesdienste, Vesper an Samstagabenden, Konzerte, Chorproben und Posaunenchor? Das ist etwas für Augen und Ohren und auch man selbst gibt dabei Geräusche von sich, als Sprache und Gesang. Bewegung – ja ein bisschen ist immer dabei, man selbst bewegt sich zu einem Ort, man steht und setzt sich und das Zwerchfell bewegt sich beim Atmen, Blasen, Singen. Und wer mehr möchte, bewegt sich in der Sportgruppe Montag abends.

Riechen und Schmecken, sind noch ein bisschen weniger, aber durchaus vorhanden: z.B. beim Abendmahl, bei Veranstaltungen wie Epiphaniastreffen, Weltgebetstag, Kirchkaffee und Gemeindenfesten. Welcher Sinn fehlt noch und was kommt vielleicht manchmal zu kurz, wo lässt sich Kirche im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“ und ertasten? Ahnen Sie es? – Haben Sie schon mal in der Kirche mehr als nur Gesangbücher, Sitzkissen und vielleicht Kollektenkörbchen und Kerzen in den Händen gehalten und angefasst? Haben Sie den Kirchenraum schon mal von allen Seiten betrachtet, erfahren und „begriffen“? Wenn ja, dann waren Sie vielleicht schon einmal beim Kirchputz dabei… Dieses Jahr war es Anfang Mai in Coswig mal wieder so weit. Eh Sie jetzt aufhören zu lesen und vielleicht innerlich den Kopf schütteln: Putzen ist nicht mein heimliches Hobby und zuhause ist wohl bei allen genug zu tun und ich glaube auch, für die meisten anderen Menschen ist es eine Überwindung, früh zum Kirchputz aufzubrechen… Aber es ist die Gelegenheit, eine Erfahrung der ganz anderen Art in Gemeinschaft, im Kirchenraum und mit allen Sinnen zu machen. Man sagt, Gebet sei in erster Linie nicht Reden mit Gott oder gar Plappern von Gebeten, sondern Lauschen. Lauschen, das kann man

  • bei Bewegung mit dem Reinigungswerkzeug der Wahl. Blicke aus ganz neuen Perspektiven im Kirchenraum, in Winkel und Nischen sind möglich. Horchen, dass der Raum, je nach Ort, verschieden klingt und riecht, dass mancher Ort17 auch anders riecht als der große Raum. Feststellen wie man eigentlich an die Stellen kommt, die man im Gottesdienst oder zu Konzerten nicht betritt. Und zuletzt etwas, was man sonst bei kirchlichen Veranstaltungen selten bis nie tut - tasten, wie fühlt sich etwas an – wie sind die Oberflächen beschaffen - was gibt es eigentlich für Figuren im Raum…die Gedanken schweifen lassen – vielleicht den Geist Gottes spüren. Erinnern Sie sich, welche Menschen das Jesuskind als erstes im Tempel, also in einem Kirchenraum, begrüßten? Es waren Hanna und Simeon (Lk 2, 21–38), als Josef und Maria kommen um Jesus im Tempel darzustellen und ein Paar Turteltauben zu opfern. Es heißt, Hanna diente Gott im Tempel Nacht und Tag mit Fasten und Beten… ich stelle mir vor, dass zum Tempeldienst noch mehr dazugehörte, schließlich wurde im Tempel mit Opfertieren gehandelt und er wurde von vielen Menschen besucht. Außerdem sammelte sich bestimmt eine Menge Sand und Schmutz an. Das bedeutet doch automatisch, zum Tempelbetrieb gehörte auch das Reinigen. Nicht nur als Ritual und als rituelle Waschung, sondern ganz profan - die Federn und was da sonst noch alles herum flog, auch zu beseitigen. Kirchputz ist also weder neu, noch zur Zeit der Bibel unbekannt. Ganzheitlich gedacht ist das Dienst, Dienst an Gott und seinem Hause. Gefällt Gott das? Ich glaube ihm oder ihr gefällt die Chance uns auch dabei ansehen zu können, ansehen bei allem was wir tun, besonders wenn wir es für ihn, sein Haus oder für Gemeinde, Gemeinschaft oder andere Menschen tun. Du bist ein Gott der mich sieht (Gen 16,13), so lautet die Jahreslosung 2023. Schön wäre, wenn die Termine für die Kirchenputze in unserem Gemeindeverbund bekannt wären, vielleicht bei der Jahresplanung für das nächste Jahr. So besteht die Chance, dass sich zwei oder drei oder mehr Menschen zu dieser Art von Dienst in unseren Kirchen versammeln. In Coswig gibt es am Ende auch immer eine leibliche Stärkung und für Sie hier zwei Fotos für den Eindruck von den Perspektiven, die man sonst nicht so hat.

Dr. Petra Scharf

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